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Reise in die Wildkaffee-Regenwälder Äthiopiens

Wildkaffee oder Waldkaffee?

YAYU, Illubabor, Äthiopien, Juni 2007: Im Anschluß an die Kaffeeverkostung in Addis Abeba flogen Dr. Jürgen Burkhardt (CoCE-Projekt, verantwortlich für die Gesamtorganisation), Ato Abebe Yadessa, (CoCE-Projekt, verantwortlich für das Sammeln der Wildkaffee-Muster und die Auswertung der Ergebnisse), Rainer Braun und ich, Dr. Hans-Jürgen Langenbahn, gemeinsam in den Südwesten nach Jimma. Von dort ging es weiter in das größte zusammenhängende Wildkaffeegebiet Äthiopiens , nach Yayu (Illubabor). 2 Tage lang begutachteten wir den Zustand und die Nutzung des wild wachsenden Kaffees.

Wildkaffee: ohne Management kaum Erträge

Ein klares Ergebnis unserer intensiven Streifzüge durch die Wälder und der vielen Gesprächen mit den beiden Wissenschaftlern des Coce-Forschungsprojekts Dr. Jürgen Burkhardt, Ato Abebe Yadessa sowie Dr. Taye Kufa vom Jimma Agricultural Research Center in Jimma war, dass es sich bei allen als Wildkaffee bezeichneten Kaffees zwar genetisch gesehen um Wildkaffee handelt, dass dieser Wildkaffee jedoch nur dann ökonomisch interessant ist, wenn der Mensch ein mehr oder weniger intensives Waldmanagement betreibt (Lichten des Primärwaldes, Entfernen des Unterholzes und schnell wachsender Pflanzen, Verjüngen der Kaffeebäume, Pflanzen von Setzlingen, die vom Landwirtschafts­ministerium an die Bauern verteilt werden etc.)!

Dies trifft, und darauf laufen alle verfügbaren Informationen hinaus, in mehr oder weniger starker Intensität für alle Wildkaffeegebiete in Äthiopien wie Benchj-Maji, Sheko, Bonga, Bale etc. zu. Wirklich unberührte Wälder mit Wildkaffee gibt es nur noch in weiter von den Straßen abgelegenen Arealen; aber diese sind wegen der weiten Wege, der Unzugänglichkeiten und der im Wettbewerb um das Licht schnell in die Höhe wachsenden und nur geringe Erträge liefernden Bäume wirtschaftlich weitgehend uninteressant.

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Die „Entdeckung“ des Wildkaffees

Bis zur "deutschen Entdeckung" des Wildkaffees als potentielle Geldquelle wurde dieser in Äthiopien als "Jimma Grad 5", also als Äthiopiens billigster Massenkaffee gehandelt. Die in den Wäldern wachsenden Kaffees waren oft schlecht geerntet und verarbeitet, demzufolge geschmacklich minderwertig und mit vielen anderen Kaffees aus einem großen Sammel- und Anbaugebiet vermischt. Auf dem Spezialitätenmarkt hatte ein „Jimma 5“ folgerichtig nichts zu suchen. Wie sollte es also möglich sein, von heute auf morgen daraus (wie es tatsächlich geschah) einen Spezialitätenkaffee zu machen?

Das Geheimnis liegt ausschließlich in einer geschickten Vermarktung in den Verbraucherländern, allen voran in den deutschsprachigen! Ein zentraler Aspekt in der Vermarktung des Wildkaffees war und ist der in unseren Köpfen existierende Irrglaube, dass Begriffe wie „wild“, „Natur“, „ursprünglich etc. gleichbedeutend sind mit Begriffsinhalten wie „rein“, „sauber“, „unverdorben“ etc. Der Konsument denkt zwangsläufig, dass eine mengenmäßige Rarität, die zudem noch wild und „unverfälscht“ (was in den seltensten Fällen tatsächlich zutrifft) in Äthiopiens Wäldern wächst, per se auch qualitativ hochwertig sein muss.  Hinzu kommt bei der Herkunftsangabe von Wildkaffees bisweilen der Verweis auf eine so genannte „Lage“ (ein Begriff, der beim Kaffee aus gutem Grund keine Anwendung findet), was in unseren Augen eher eine psychologische Aufwertung denn einen qualitativen Wert impliziert.

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Wildkaffee oder Waldkaffee?

Einen reinen Wildkaffee, bei dem sich der menschliche Eingriff einzig und allein auf die Ernte beschränkt, in marktfähigen Mengen zu sammeln, halten wir zwischenzeitlich für unmöglich. Was derzeit als Wildkaffee (von den Importeuren und Röstern, weniger von den äthiopischen Produzenten und Exporteuren!) angeboten wird, stammt, so sind wir überzeugt, überwiegend von gemanagten Waldflächen, gemischt mit geringen Anteilen von tatsächlich wild wachsendem Kaffee; die Übergänge zwischen gemanagten und ungemanagten Waldflächen sind häufig fließend. Es erhebt sich deshalb die Frage: darf man bei dem, was von Importeuren und Röstern als Wildkaffee angeboten wird, wirklich von Wildkaffee sprechen?

Unseres Erachtens wäre es an der Zeit, wegen des fast überall vorhandenen menschlichen Eingriffs besser (weil richtiger) nur noch von Waldkaffee und nicht mehr von Wildkaffee zu sprechen. Wir von „Maskal - fine coffee company“ haben uns deshalb entschieden, auf unseren neuen Verpackungen (vermutlich ab März 2008) unseren „Wildkaffee“ konsequenter Weise als Waldkaffee bezeichnen. Wir sind der Überzeugung, dass in einer Zeit, in der überall von „Informationsgesellschaft“ und „fairem Handel geredet wird, es durchaus angebracht ist, sich an die Spielregeln von „fairer Information“ und „fairer Kennzeichnung“ zu halten.

Um es zu wiederholen: genetisch betrachtet wächst in allen betreffenden Wäldern Äthiopiens Wildkaffee (das betrifft auch die vom Landwirtschaftsministerium kostenlos an die Bauern verteilten krankheitsresistenten Setzlinge). Bei sauberer Ernte und Verarbeitung werden sich mit Sicherheit zahlreiche Top-Qualitäten und Terroir-Kaffees erzeugen lassen. Aber der zum Teil starke (kulturelle!) Eingriff des Menschen verbietet es unserer Meinung nach hier weiterhin von einem „wilden Produkt aus unberührter Natur“ zu sprechen. Von diesem Idealbild sollten wir uns verabschieden. Wald ist eben nicht immer gleichbedeutend mit wild; auch wenn sich „wild“ derzeit bestens verkaufen lässt!

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Natur und Ökonomie im Konflikt

Eines dürfen wir nicht vergessen: es sind gerade die menschlichen Eingriffe, die es erlauben es, dass die Kaffeebäume kräftiger werden, dass sie einen größeren Kronendurchmesser bekommen und mehr Kaffeekirschen tragen. Dies, und nur dies bringt schließlich den Bauern tatsächlich höhere Erträge und damit höhere Einkommen! Und diese können zusätzlich erhöht werden, wenn tatsächlich ausschließlich reife Kirschen geerntet und diese langsam und gleichmäßig getrocknet werden. Für solche „sauberen“ Kaffees, von denen es bisher nur wenige gibt, stehen überall in der Welt Käufer bereit.

Ein gut gemanagter Wald und die Erzeugung von Qualitätskaffees bringt den Bauern weit mehr ein als das Sammeln auf nicht gemanagten Flächen! In beiden Fällen, das könnte man die positive Nachricht nennen, ist der Genpool der originären Kaffeepopulationen in situ geschützt. Die Wälder hingegen, und das könnte man die negative Nachricht nennen, werden mit zunehmendem Eingriff des Menschen in ihrer Ursprünglichkeit stark verändert werden. Es besteht  außerdem die Gefahr, dass bei zunehmender Nachfrage nach „Wildkaffee“ die Bauern durch eine Ausweitung des Waldmanagements versuchen werden, ihre Erträge weiter zu steigern; und das würde zwangsläufig eine zunehmende Zerstörung der Regenwälder nach sich ziehen! Und nach allem was sich derzeit beobachten lässt, hat dieser Prozess schon begonnen. Es erhebt sich deshalb die Frage: "Was wollen wir eigentlich? Den Regenwald in seiner Ursprünglichkeit schützen oder höhere Einkommen für die (Kaffee sammelnden) Bauern?"

Der Schutz der originären Regenwälder und die Einkommenssteigerung für die Bauern sind nicht kompatibel. Darüber muss man sich stets im Klaren sein! Ein kontrolliertes Waldmanagement führt zwar zu einer Veränderung der Struktur des Regenwalds, dient den Bauern aber als Einkommensquelle. Und dies ist allemal besser als die radikale, leider weithin praktizierte Abholzung der Wälder zur Gewinnung neuer Ackerflächen. Die „eierlegende Wollmilchsau“ gibt es auch hier nicht!

Gibt es Lösungen?

Einen Ausweg aus dieser durchaus vertrackten Situation sehen wir (zumindest theoretisch) aus­schließlich darin, dass auf den derzeit gemanagten Flächen den Bauern für hochwertige, durch sauberes Ernten und Verarbeiten erzielte Kaffee-Qualitäten höhere Preise gezahlt werden, dass gleichzeitig aber eine strikte Mengen­be­gren­z­ung festgelegt werden muss. Der Anreiz, hochwertigen Kaffee zu produzieren (anstatt des billigen Jimma Grad 5-Massenkaffees, als welcher der Wildkaffee bisher verhandelt wurde) und auf die Zerstörung weiterer Waldflächen zu verzichten, kann nur, wenn überhaupt, über die Kombination aus hohen Preisen bei gleich­zeitiger Mengenbe­grenzung liegen. Dass sich dadurch, und das ist wiederum eine Schattenseite, der offenbar weit verbreitete Diebstahl von Kaffeekirschen (ein Grund dafür, dass der Kaffee oft viel zu früh, d.h. unreif geerntet wird, einfach, um dem Diebstahl vorzubeugen) weiter ausbreiten wird, ist fast zu befürchten. Die Sachlage ist also nicht einfach. Und dabei sind noch lange nicht alle Problem­situationen genannt...

Um eine Lösung zu finden, die Ökologie und Ökonomie auf einen gemeinsamen Nenner bringen könnte, wären alle Beteiligten, von den Produzenten bis zu den Röstern aufgefordert, an einem Strang zu ziehen - und dies möglichst bald! Dies klingt einfach, ist aber, und hierfür gibt es genügend negative Beispiele, nur schwer zu realisieren! Zu stark sind in der Regel die auseinanderstrebenden Eigeninteressen der Beteiligten. Es gibt zwar erste zaghafte Versuche, aber Erfolge sind noch nicht in Aussicht. Und die Zeit läuft!

Aber vielleicht naht ja Rettung von ganz anderer Seite. Spezialitätenröster rund um den Globus werden nämlich nicht müde, beständig neue äthiopische Wildkaffees zu finden, oder besser „zu erfinden“! So gibt es zwischenzeitlich (in den Vermarktungsstrategien der Röster!) schon wild wachsenden Sidamo, Yirgacheffe und viele andere mehr! Unsere Sammlung solcher Absurditäten hat inzwischen erschreckende Ausmaße angenommen - womit wir wieder bei der „fairen Information“ und der „fairen Kennzeichnung“ wären! Die Geschäfte mit dem Wörtchen „wild“ laufen derzeit  glänzend; und deshalb sprießen plötzlich überall in Äthiopien mit Wildkaffee reichlich gesegnete, unberührte Regenwälder wie Pilze aus dem Boden! Worüber sorgen wir uns also eigentlich?

Anmerkung: Einen sehr guten Beitrag zum Thema "Wildkaffee in Äthiopien" finden Sie in unserem KAFFEE-BLOG in der Kategorie Äthiopien unter dem Titel: "Wildkaffee in Äthiopien - Mythos und Realität". Dort finden Sie auch einen journalistischen Artikel aus der "Welt am Sonntag" bzw. aus der "Berliner Morgenpost" über die Vermarktung von Wildkaffee / Waldkaffee.